Die eigene Persönlichkeit und die Steuer

Wie ein mechanistisches Weltbild falsche Anreize setzen kann

Erst kürzlich bestätigte das Finanzgericht Hamburg, dass Aufwendungen für Seminare mit persönlichkeitsbildendem Charakter nur dann als Werbungskosten absetzbar sind, wenn sie auf die spezifische berufliche Situation des Steuerpflichtigen zugeschnitten sind. Die Richter erklärten, es reiche nicht aus, dass die vermittelten Lerninhalte "auch" im beruflichen Alltag einsetzbar und der beruflichen Entwicklung förderlich sein könnten. Die Richter stellten zudem heraus, dass die Teilnehmer einen vergleichbaren beruflichen Hintergrund haben müssten. Ist der Teilnehmerkreis inhomogen, tritt der allgemein persönlichkeitsbildende Inhalt einer Fortbildung in den Vordergrund und der Abzug im Rahmen der Werbungskosten scheidet aus (FG Hamburg, Urteil vom 20.9.2016, Az. 5 K 28/15). Somit ist gewisse Vorsicht bei der Auswahl der infrage kommenden Seminare geboten.

Eine Frage des Menschenbildes

Es muss wohl am kulturellen Hintergrund der Bürokraten liegen, dass man sich der Wirkung von Persönlichkeitsbildung auf die Arbeits-Performance von Mitarbeitern und auch Führungskräften so grundsätzlich verschließt. Bereits 1960 unterschied der MIT -Professor Douglas McGregor zwei verschiedene Menschenbilder. Seine Theorie X und Y basieren auf zwei unterschiedlichen Annahmen, was Menschen motiviert.

Während die Theorie X davon ausgeht, dass Menschen von Natur aus faul sind, basiert die Theorie Y dagegen auf der Annahme, dass sie grundsätzlich ehrgeizig sind, sich entwickeln wollen und einen Beitrag leisten möchten. Ihre Arbeit sehen sie als Quelle der Zufriedenheit und sie haben Freude an ihrer Leistung. Sie sind intrinsisch motiviert, können sich selbst organisieren und verordnen sich selbst zur Erreichung ihrer Ziele Disziplin und Eigenkontrolle. Kreativität und Verantwortungsbewusstsein sind ihnen ebenfalls zu Eigen. Während hingegen die Xer ausschließlich extrinsisch motiviert sind und durch Vorgaben geführt werden. Belohnung und Sanktion unterstützen den Führungsprozess der X-Typen.

So ist es kein Wunder, dass das X-Menschenbild die Grundlage der traditionellen hierarchischen Führung von Unternehmen und vor allem Behörden ist. Die eigene Motivation und deren Quellen spielen kaum oder keine Rolle.

Lerne dich selbst zu führen, bevor du andere führst!

Wir wissen, dass der erste Schritt wirksamer Führung in der Selbstentwicklung liegt. Kernelement eines Leaders ist die Verpflichtung Vorbild zu sein und die zuvor definierten Werte und Prinzipien zu verinnerlichen und vorzuleben. Dafür Sorge zu tragen, dass Worte und Taten kongruent und alle Aussagen im Zeitablauf konsistent sind. Nur so entsteht das nötige Vertrauen von Mitarbeitern.

Das aber setzt eine Beschäftigung mit der eigenen Persönlichkeit voraus – die vom Finanzamt nur unter engen Rahmenbedingungen unterstützt wird. Eine der steuerrechtlich zulässigen Maßnahmen kann u.U. das anlassbezogene Coaching sein. Dieses kann ausnahmsweise dann Fortbildung sein (und zu absetzbaren Werbungskosten oder Betriebsausgaben führen), wenn die Teilnahme daran ausschließlich oder ganz überwiegend beruflich veranlasst ist. Voraussetzung: Die Inhalte der Maßnahme müssen auf die konkrete Tätigkeit zugeschnitten sein. Sollten mehrere Teilnehmer vorhanden sein, müssen alle denselben beruflichen Hintergrund haben.

Das Steuerrecht kennt keine Prävention - Bedauerlich

Die Konsequenz daraus? Techniken der Konfliktlösung, Verbesserung der Kommunikation bei Meinungsverschiedenheiten können i.d.R. steuerlich nur dann abgesetzt werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen und der Konflikt vorhanden ist. Dann stellen gesunkene Produktivität und ggf. auch gestiegene Fluktuation eine berufliche Veranlassung dar.

Will eine Führungskraft das aber präventiv lernen und Konfliktkompetenz erwerben, um solche Entwicklungen zu vermeiden, wird das i.d.R. steuerlich nur in engen Grenzen abzugsfähig sein. Dabei schädigen Führungskräfte, die Konflikte unbearbeitet lassen oder gar verdrängen, ihr Unternehmen grob fahrlässig, denn

  • in jedem Unternehmen werden 10 bis 15 Prozent der Arbeitszeit für Konfliktbewältigungen verbraucht und
  • bis ca. 25 Prozent des Umsatzes hängen von der Qualität der innerbetrieblichen Kommunikation ab.

Dass gut geführte Unternehmen profitabler sind und damit auch das Steueraufkommen erhöhen, haben die X-er vom Finanzamt scheinbar weniger auf der Agenda. Immerhin befinden sie sich in der guten Gesellschaft derer, die so gerne von weichen Faktoren sprechen.

Frank Weber, weber.advisory

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