Begeisterung ist etwas für Kinder…

…sagen die Erwachsenen und die Kinder wundern sich.

Im Rahmen eines Vortrags auf einer Führungskräfteveranstaltung vertrat ich neulich die Position, dass es gelingen müsse, Begeisterung für das laufende Veränderungsprojekt zu entfachen.

Im Anschluss an mein Referat nahm mich ein älterer Geschäftsbereichsleiter mit gewichtiger aber wohlwollender Miene zur Seite und riet mir, ich solle doch keine falschen Akzente setzen. Begeisterung hätte doch im Geschäftsleben keinen Platz und das sei etwas für Kinder. Es reiche doch aus, wenn die Leute im Unternehmen den Sinn der Veränderung im Grunde verstanden und auch emotional akzeptiert hätten. Begeisterung solle man den Chaka-Chaka-Referenten überlassen und nicht einem seriösen Unternehmensberater, wie ich einer sei. Dass ich Begeisterung fordern würde, verwundere ihn sehr.

Als großer Anhänger der neurologischen Forschungen von Gerald Hüther und John Erpenbeck war ich natürlich sofort gefordert. Statt aber sogleich zu referieren, habe ich ihn gefragt: „Wann haben Sie zuletzt einen Menschen gesehen, der so richtig begeistert war und was war die Konsequenz daraus?“.

Er musste länger nachdenken und die Ernsthaftigkeit seiner Gedankensuche war seinem Gesicht anzusehen. Ich konkretisierte meine Frage und ergänzte „Begeisterung, bei der man merkt, dass sie den gesamten Körper durchströmt?“. Zuletzt, sagte er nach weiterem Nachdenken, zuletzt bei seinem Enkel. Neulich bei… dann unterbrach er sich selber, blickte mich mit einem gewissen Triumph an und ergänzte, dass er es ja gesagt habe, Begeisterung sei etwas für Kinder.

Nun hielt es mich nicht mehr und ich stimmte ihm zu: „Das stimmt! Aus zwei Gründen.“ Einmal weil es die Natur so vorsieht, und dann um uns Erwachsenen ständig zu zeigen, dass wir da etwas verlernt haben.

Wir können in der Tat von den Kindern lernen, dass es dieses Glücksgefühl gibt, mit dem sie sich auf den Weg machen, die Welt für sich zu entdecken – gepaart von Neugierde, Offenheit und auch Gestaltungslust. Hüther meinte einmal, dass für uns Erwachsene viele Sorgen, Probleme und Nöte gar nicht existieren würden, wären uns diese kindlichen Erinnerungen noch präsent.

Genau das ist uns erwachsenen ernsthaften Menschen vielfach verloren gegangen. Die Erinnerung an die Begeisterung. Kleinkinder erleben diesen Zustand bis zu fünfzigmal am Tag, und wir… Wir sind lieber bedeutungsvoll und ernsthaft.

Jedes Mal aber, wenn sich ein Mensch für etwas begeistern kann, kommt es in seinem Gehirn zu einer Aktivierung der emotionalen Zentren und es wird – nach Hüther – ein wahrer Cocktail von neuroplastischen Botenstoffen ausgeschüttet. Diese werden für die Stabilisierung all jener Verknüpfungen gebraucht, die im Hirn zur Lösung eines Problems oder zur Bewältigung einer neuen Herausforderung aktiviert werden. 

Nur so schaffen es kleine Kinder, ihr unglaubliches Lernprogramm der ersten Lebensjahre zu absolvieren. Das, was sie mit Begeisterung machen, machen sie ganz schnell auch immer besser. Nicht weil es Spaß macht, sondern weil im Hirn ein selbsterzeugtes Doping abläuft, bei dem alle Stoffe produziert werden, die für die Wachstums- und Umbauprozesse von neuronalen Netzwerken gebraucht werden. Mit anderen Worten, die fürs Lernen gebraucht werden.

Ja, Kinder können sich noch begeistern und wir sollten von ihnen lernen. Das Stichwort hierzu vom zweiten großen Lernforscher John Erpenbeck heißt Kompetenzerwerb durch emotionale Aktivierung. Statt uns mühevoll und zuweilen auch skeptisch durch die kognitiven Lernprozesse der Erwachsenenwelt zu quälen und nur ganz langsam Fortschritte zu machen, sollten wir nach Punkten suchen, für die wir uns begeistern können und dieses Gefühl dann auch zulassen.

Mit dem Führungsteam dieses Bereichsleiters mache ich übrigens demnächst einen kleinen Kreativ-Workshop unter dem Motto „Wie müssen wir den Change in unserem Bereich gestalten, damit wir uns für ihn begeistern können?“. Ich bin gespannt und freue mich auf die gemeinsame Arbeit.

Frank Weber
www.weber.advisory.com

 

Bild: Stephanie Hofschlaeger  / pixelio.de

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