Leadership in Deutschland – ein trauriges Bild

Samstagslektüre – draußen schlechtes Wetter und daher die Lektüre zweier aktueller Umfragen. Die Ergebnisse zeigen ein trauriges Bild der Rahmenbedingungen für die Führungsarbeit in Deutschland.

Eine Umfrage des „Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI)“ unter Führungskräften verdeutlicht, dass…

  • man wohl nur bei der Hälfte aller deutschen Führungskräfte davon ausgehen kann, dass sie ihrer Verantwortung unbeschwert nachkommen,
  • 30 % der Befragten eine hohe Führungsbelastung angaben,
  • 20% glauben, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden und
  • 25% finden, dass der eigene Beitrag zum Ergebnis der Gruppe höher sei, wenn sie von jemand anderem geführt würde.

Sicht der Mitarbeiter auf ihre Chefs

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa bei der im vergangenen Dezember über 1000 Angestellte im Alter von 21-67 Jahren befragt wurden, zeigt den Blick der Mitarbeiter auf ihre Führungskräfte:

  • 45 % der Mitarbeitenden empfinden, dass sich ihre Chefs zu sehr operativ einmischen.
  • 32 % empfinden ihre Führungskräfte oft gestresst und überfordert.
  • 27 % der Mitarbeiter sind der Meinung, dass ihnen wichtige Informationen von ihren Führungskräften vorenthalten werden.
  • 22 % ärgern sich über plötzlich wechselnde Prioritäten.
  • 45 % der Mitarbeitenden empfinden, dass ihre Chefs an zu vielen Themen gleichzeitig arbeiten.

Diese Umfrage zeigt auch, dass Führungskräfte durchschnittlich nur 20 % ihrer Zeit in die reine Führungsarbeit investieren, also sich mit ihren Mitarbeitern beschäftigen. Das ist deutlich zu wenig und liegt aber wohl nach unseren Erkenntnissen nicht ausschließlich daran, dass die Führungskräfte dieses nicht wollen. Was aber kann man tun, um zu besserer Führung in Deutschland zu kommen?

Coaching ist sinnvoll, hilft aber nur begrenzt

Sicherlich ist es sinnvoll, an den Kompetenzen und der Persönlichkeit von Führungskräften zu arbeiten. Hier ist Coaching nach wie vor ein sehr probates Mittel. Doch die oftmals in den Unternehmen vorherrschenden schlechten Rahmenbedingungen für Führung lassen sich auch hiermit nicht beseitigen.

Es sind die Rahmenbedingungen…

…die gute Führung verhindern.  Zu viel Expertentätigkeiten und Managementaufgaben lassen für die eigentliche Führung von Mitarbeitern zu wenig Zeit. Weiterhin stören zu viel Bürokratie und wenig bekannte oder unklare Ziele bei der guten Führung im Unternehmen. Nach unseren Erfahrungen klagen Führungskräfte zudem sehr häufig darüber, dass hinsichtlich der Unternehmensstrategie Unklarheit herrscht.

Die Situation wird zudem erschwert, dass oftmals die falschen Personen Führungsverantwortung zugeteilt bekommen. Immer noch und viel zu häufig wird der beste Sachbearbeiter, die beste Sachbearbeiterin an die Spitze der Gruppe befördert. Einen alternativen Karriereweg gibt es oftmals nicht. Experten- oder Projektkarrieren existieren nicht. So darf es nicht wundern, dass sich vor allem die Führungskräfte, die eigentlich nur Karriere machen wollten, zunehmend fragen, ob sie den Führungsjob überhaupt wollen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Anforderungen der Mitarbeiter an ihre Chefs immer weiter steigen – zum Teil ins maßlos Unerfüllbare.

Was also ist zu tun?

Will man die Situation für Führungskräfte verbessern, so sind dringend die Rahmenbedingungen für Führungsarbeit neu zu gestalten:

  • Bürokratisierungsabbau und Entschlackung der Organisation
  • Klares Verständnis von Rollen und Aufgaben von Führungskräften – Führung macht man nicht nebenbei.
  • Strukturierte Strategieprozesse sowie stringente und transparente Kommunikation der Strategie an Führungskräfte. Besser noch, die Einbindung zumindest der oberen Führungsebenen bei der Strategieentwicklung.
  • Enthierarchisierung der Unternehmen und delegieren von Verantwortung dorthin, wo sie für eine erfolgreiche Arbeit gebraucht wird.
  • Arbeit an einer Kultur, die Vertrauen fördert und das Lernen aus Rückschlägen und Fehlern erlaubt.

Gerade der letzte Punkt ist mit Blick auf die Führungskräfte sehr hilfreich, die für sich erkannt haben, dass sie in der Linie eigentlich besser aufgehoben sind. Schade, wenn dieser für alle befreiende Schritt nicht erfolgt, weil er mit dem Malus des Versagens verbunden ist.

Schönes Wochenende und viel Erfolg

Frank Weber (weber.advisory  & Hochschule Fresenius)

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