Gegenwind im Change – der Umgang mit Widerständen

von: Frank Weber (www.weber-advisory.com)

 

„Dann gehe ich eben in den Widerstand…“. Was löst dieser Satz bei Ihnen aus? Mit großer Wahrscheinlichkeit nichts Gutes. Mit Widerstand verbinden Sie Ablehnung oder eine Abwehrhaltung. Sie denken an Gehorsamsverweigerung und Opposition gegen die Obrigkeit. Das alles klingt zunächst einmal schlecht – ist es aber im Grunde gar nicht. Schlecht ist nur der unprofessionelle Umgang mit Widerstand. Widerstände als solches sind nichts anderes als verunglückte Bedürfnisse. Diese nicht zu erkennen und aufzunehmen führt zu dem im letzten Beitrag skizzierten Zustimmungsabbruch. Der Vorwurf gehört also nicht dem, der Widerstand zeigt, sondern dem, der ihn provoziert.


Streitet euch nicht! So hieß es schon zu Kindertagen und früh im Leben haben wir gelernt, dass Streit etwas Schlechtes sein muss: Streit ist unproduktiv und in höchstem Maß schädlich. Konflikte sind destruktiv und schaffen nur unnötig Feinde… Diese und andere Glaubenssätze prägen auch unsere Einstellung zum Streit und damit auch zum Widerstand und bescheren uns das teure Unvermögen, mit ihnen umzugehen.

 

Heraklit: „Der Streit ist der Vater aller Dinge“

Wir scheuen Konflikte und Streitigkeiten und verurteilen den Widerstand. Doch zugleich sind sie Bestandteil unseres täglichen Lebens – privat und am Arbeitsplatz. Folgt man Heraklit, so scheinen Streitigkeiten und damit Widerstände positive Aspekte zu haben.

 

Die Meinungsverschiedenheit ist der Regelfall. Interessen, Werte und Erwartungen, aber auch Emotionen stehen in Konkurrenz oder Widerspruch zu denen anderer. In der Regel bindet das enorme Ressourcen und Potenziale in den Unternehmen. Streitigkeiten und Konflikte verursachen Kosten – psychische, soziale und ökonomische. Veränderungsvorhaben verzögern sich oder scheitern gar. Ein Einlenken fällt schwer, ist unbefriedigend und führt bestenfalls nur zur Konfliktvermeidung, nicht aber zu dessen dauerhaften Auflösung und Überwindung.

 

Wechseln wir die Perspektive: Wenn Meinungsverschiedenheiten und Streit schon einmal da sind, dann machen Sie doch einfach etwas daraus. Sehen Sie das Positive und suchen Sie einen Nutzen. Churchill vertrat die Meinung, dass, wenn zwei Menschen die gleiche Meinung haben, einer von ihnen überflüssig sei. Hinter diesem Zitat steckt der Gedanke, dass unterschiedliche Meinungen auch ein Geschenk sein können, eine Bereicherung der eigenen Sichtweise. Wir kennen diesen Gedanken, er drückt sich aus in der Redewendung, sich eine zweite Meinung einzuholen.

 

Doch was, wenn diese divergierend ist und der Zweite kein neutraler Berater, sondern beteiligte Partei mit eigenen Interessen ist? Dann wird es schwierig und es mündet oftmals in Streit, und der vermeintlich Schwächere geht in den Widerstand. Dass das alles nicht sein muss, kennen wir aus der Mediation. Sie achtet divergierende Meinungen und verfolgt das Ziel, diese konstruktiv zu vermitteln, zu überwinden und gemeinsam eine wertvolle Lösung zu destillieren. Eine Lösung, die am Ende für alle Beteiligten besser ist. Sie ist von Dauer.

 

Konflikt: Worum geht es?

Friedrich Glasl definiert den Konflikt als subjektive Beeinträchtigung durch andere. Das Wort Konflikt kommt vom lateinischen Substantiv conflictus und bedeutet allgemein gesprochen so viel wie das Aneinanderschlagen. Ein Zusammenstoß im weiteren Sinne. De Bono spricht von einem Zusammenprall von Interessen, Aktionen oder Richtungen. Allen Konflikten ist gemein, dass es nicht nur um einen bloßen Zusammenprall auf der Sachebene geht. Es gibt keine reine Sachauseinandersetzung. Immer geht es auch um eine psychologische und soziale Betroffenheit.

 

Ein Konflikt als Interaktion zwischen Menschen, wobei wenigstens einer von ihnen Unvereinbarkeit im Denken oder Wollen mit den anderen in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Beeinträchtigung durch die anderen erfolgt. Übertragen auf Change Management: Veränderungsprozesse, die von Mitarbeitern als Beeinträchtigung und Verschlechterung empfunden werden.

 

Die Reaktion darauf? Widerstand, mit der Konsequenz des Zustimmungsabbruchs wie im letzten Beitrag beschrieben. Denken wir an Widerstand, so haben wir ihn oftmals in der Form des aktiven Widerspruchs vor Augen. Rhetorisch mehr oder weniger begabte, aber in der Regel immer lautstarke Mitarbeiter, die sich in der Gegenrede üben. Diese Form des Widerstands mag penetrant sein, ist aber beileibe nicht die Schlechteste. Viel gefährlicher ist die Opposition, die sich wortlos im passiven Verhalten äußert: Lustlosigkeit, Unaufmerksamkeit, Absentismus, Krankheit oder gar innere Kündigung sind die Symptome.

 

Die Aufgabe von Führungskräften in diesem Kontext? Als Motor aller Veränderungen sind sie zugleich auch „Widerstands-Manager“. Nicht, in dem sie ihn brechen, sondern in dem sie ihn ernst und aufnehmen und mit ihm konstruktive umgehen. Das bedeutet natürlich in einem ersten Schritt, ihn zu erkennen. Nachfolgende Grafik mag hierzu eine Hilfestellung geben.

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Hierzu ist es natürlich erforderlich, die eigenen Mitarbeiter zu beobachten, mit ihnen in Kontakt zu stehen und sie einschätzen zu können. Das aber ist nur eine Seite der Medaille. Genauso wichtig ist die persönliche „Konflikt-Kompetenz“. Damit meine ich die erlernbare Fähigkeit, Konflikte zu erkennen, sie als grundsätzlich nichts Negatives einzuschätzen und sie auflösen zu können. Konflikt-Kompetenz meint keinesfalls Menschen, die ausgesprochen streitlustig sind. Konflikt-Kompetenz besitzt, wer…

  1. Konflikte in sich selbst und seinem Umfeld frühzeitig und deutlich wahrnimmt;
  2. versteht, welche Mechanismen zu deren Intensivierung und Verschärfung beitragen;
  3. unterschiedliche Methoden anwenden kann, mit denen er seine Anliegen zum Ausdruck bringen kann, ohne den Konflikt zu befördern;
  4. Wege kennt und Mittel anwenden kann, die zur Klärung von Standpunkten beitragen;
  5. aber auch gut erkennen kann, wo die Grenzen seiner Möglichkeiten liegen und wo daher etwa die Hilfe eines Dritten einzuholen (z.B. Mediator) ist.

 

Was geschieht in einem Unternehmen, wenn eine Mehrheit von Führungskräften an sich arbeitet und diese Konflikt-Kompetenz erlernt? Eine Kulturveränderung wird sich einstellen. Wie viele Familien und andere soziale Netzwerke auch, sind die meisten Unternehmen Schönwetterveranstaltungen. Bei etwas Hitze, Frost oder Regen sind sie schwer beeinträchtigt und bei Sturm oder Hagel brechen sie zusammen. (Scheinbare) Harmonie steht über allem und eigene Bedürfnisse werden zurückgestellt. Eine Ansammlung von Menschen (Führungskräfte stecken Mitarbeiter an) mit Konflikt-Kompetenz ist die Voraussetzung dafür, dass eine Organisation konfliktfest wird. Das gilt für Unternehmen wie auch für Familien. Konfliktfest ist ein Unternehmen, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter überwiegend zum konstruktiven Bearbeiten von Differenzen, Reibungen und Spannungen in der Lage sind. Spätestens dann werden sie mit dem Zitat von Heraklit keine Irritationen mehr auslösen, sondern Zustimmung ernten.

 

Im Kern geht es um den Ausgleich von Interessen

Menschen mit Konflikt-Kompetenz wissen um die Begrenztheit von Macht und Regeln/Recht und schätzen die Bedeutung von Interessensausgleichen in Konflikten und damit auch in Veränderungsvorhaben. Klassisch werden Meinungsverschiedenheiten gelöst, indem…

  1. Machtpositionen eingesetzt werden um Positionen durchzusetzen. Im Zweifel beendet eine übergeordnete Führungsinstanz den Streit durch ein „Machtwort“;
  2. sich Konfliktparteien auf bestehende Regeln, Normen oder Rechtspositionen berufen und daraus ableiten, wer im Recht ist.

 

Doch was ist damit erreicht? Keinesfalls eine Akzeptanz des erreichten „Ergebnisses“. In konfliktfesten Organisationen werden dagegen unterschiedliche Interessen ausgeglichen und eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden. Wesentlich ist hier das Wort „befriedigende“. Was genau wird befriedigt? Es sind Bedürfnisse von Menschen die im Falle des Interessensausgleichs befriedigt werden. Menschen handeln um Bedürfnisse zu befriedigen. Geschieht das nicht, gehen sie in den Widerstand. Widerstände sind verunglückte Bedürfnisse.

 

Eine Frage der persönlichen Wertschätzung

Jeder Widerstand ist höchst persönlich. Er basiert auf höchst persönlichen Wahrnehmungen, Erfahrungen und Fähigkeiten, die zu höchst persönlichen Bedürfnissen führen. Es ist daher eine Frage des wertschätzenden Umgangs, wenn sich die Konfliktlösung und damit das Widerstands-Management auf den Sachbereich des Streitfalles konzentriert, ohne die Person des anderen anzugreifen.    

 

  1. Regeln für ein konstruktives Widerstands-Management:
  2. Beobachten und nicht sofort Bewerten oder Interpretieren
  3. Gefühle wahrnehmen und benennen
  4. Bedürfnisse wahr- und ernstnehmen
  5. Auf der Grundlage der Bedürfnisse klare und erfüllbare Bitten äußern
  6. Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln
  7. Auf Interessen konzentrieren und nicht auf Positionen beharren
  8. Entscheidungsmöglichkeiten und Alternativen im Rahmen der Realität entwickeln
  9. Strukturiert, kongruent und konsistent kommunizieren
  10. Respekt und Wertschätzung vermitteln

 

So vorgegangen, wird die (abweichende) zweite Meinung von konflikt-kompetenten Menschen geschätzt und gar gefordert. Ein damit konfliktfestes Umfeld achtet divergierende Meinungen und verfolgt das Ziel, diese konstruktiv zu vermitteln, zu überwinden und gemeinsam eine wertvolle Lösung zu destillieren. Eine solche Vorgehensweise kennt keine verunglückten Bedürfnisse, sondern Menschen, die ihre Bedürfnisse einbringen und zum Wohle des Ganzen einen Veränderungsprozess aktiv mitgestalten. Der angenehme Nebeneffekt? Allgemeine und breite Akzeptanz dessen, was gemeinsam erarbeitet wird. So gesehen, kann es nicht schaden, Führungskräfte in der Kunst der Mediation zu schulen. Ein scheinbar langwieriger Interessensausgleich entpuppt sich damit als Beschleuniger von Veränderungsvorhaben. Es gilt immer noch das alte chinesische Sprichwort: „Willst du schnell vorankommen, musst du langsam gehen“.

 

Kontakt: Frank Weber, www.weber-advisory.com


Der Autor:

Frank Weber ist unter der Marke weber.advisory selbstständiger Unternehmensbe­rater mit den Schwerpunkten Führung, Kommunikation und Wandel, sowie Coach für Füh­rungskräfte und ausgebildeter Mediator. Als Lehrbeauftragter an der Fresenius Hochschule unterrichtet er die Themen Change und Innovations Management, Personalwesen sowie Corporate Identity.

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